„One Coffee and one Cacao please“
Schon beim Grenzübertritt nach Vietnam, im nordosten von Kambodscha, fühlten wir uns in unserem neuen Radelland pudelwohl. Als wir nach rund 40 km völlig verschwitzt eine erste Pause einlegten, kam ein junger Vietnamese auf uns zugelaufen, um uns auf ein hausgemachtes Eis in seinem Shop einzuladen. Wir freuten uns sehr über die Gastfreundschaft und verbrachten eine fruchtig-süße Eiscremepause neben einem kühlenden Ventilator.
Obwohl wir es aufgrund des vielen Bergaufradelns nicht für möglich gehalten haben, schafften wir noch am ersten Tag in Vietnam die Ankunft in Pleiku. Wir kontaktierten unseren Gastgeber von Couchsurfen, welcher uns spontan schon einen Tag früher als ausgemacht bei sich und seiner Familie aufnahm. Da wir in Vietnam eine lange Strecke entlang der Küste bis nach China vor uns hatten, wollten wir eigentlich nach einer Nacht in Pleiku wieder weiterdüsen. Eigentlich. Im Endeffekt verbachten wir 3 Nächte bei unseren Gastgebern. Die letzten Wochen hatten uns doch einiges abverlangt – Radfahren in der prallen Sonne, Staub, Hitze und das Bangen um unsere Problemkinder (unsere schon teilweise recht verschlissenen Drahtesel). Wir waren also nach der Ankunft im Hochland von Vietnam froh über ein fixes Dach über den Kopf und eine Dusche – der pure Luxus sozusagen. Unsere Gastgeberfamilie nahm uns mit in lokale Restaurants und Kaffees – mit richtigem, gutem Kaffee (kein Instantkaffee wie in den meisten Ländern zuvor)! Als Dankeschön halfen wir beim Blumengießen und bekochten unsere Gastgeberfamilie mit Semmelknödel, gerösteten Erdäpfel und Spinat. Als Vorspeise gab es Frittatensuppe und zum Abschluss Palatschinken mit Erdbeermarmelade. Tatkräftige Unterstützung erhielten wir beim Palatschinkenkochen vom 7-jährigen Sohn der Familie. Wir sind uns nicht ganz sicher ob ihnen das Essen geschmeckt hat, da wir unser gekochtes Essen am nächsten Tag zum Frühstück wieder bekommen haben (6 Knödel waren noch übrig, und wir hatten schon die Sorge, dass es zu wenig werden könnte 😀 ). Sie hatten nur gemeint „It is difficult to eat“ – Knödel mit Stäbchen zu essen ist tatsächlich eine Herausvorderung 🙂 Nichtsdestotrotz wurden alle satt und wir beide freuten uns über Knödel mit Spinat und Beilagen zum Frühstück. Apropos Freude – besonders großen Spaß hatte der 7-jährige Sohn der Familie in unserem Zelt, welches wir ihm zum Spielen vor dem Haus aufgebaut hatten. Er hat sein neues „zuhause“ gleich mit Kissen und Decke für einen Nachmittag lang bezogen.
Unsere Weiterreise war geprägt von wunderschönen Landschaften, frühlingshaften Wäldern und jede Menge Reisfelder. Nahezu jede erdenkbar freie Fläche wird für die Landwirtschaft genutzt. Nach dem anstrengenden Hochradeln auf die Hochebene von Vietnam bekamen wir die Behlonung, nämlich eine lange Abfahrt Richtung Küste des Landes. Am Weg trafen wir auf eine große vietnamesische Reisegruppe, welche sich über ein Gruppenfoto freute.
Von der Küste aus sollte es dann auf der Hauptverkehrsachse, der AH1, hinauf Richtung Hanoi gehen. An der Hauptstraße angekommen sahen wir leider noch nicht das Meer, dafür aber zahlreiche Bäckereien, was für uns in diesem Moment bestimmt genauso erfüllend war. Für das leibliche Wohl wird in Vietnam nämlich allemal gesorgt – die Straßen sind gesäumt von kleinen Restaurants, Kaffees und Obst-/Gemüseläden. Wir aßen teilweise jeden Tag 3x Pho (eine traditionelle Nudelsuppe) – zum Frühstück, Mittag- und Abendessen.
Unser nächstes Ziel war vorerst Hoi An, ein ehemals kleines Fischerdorf, welches heute bei Touristen sehr beliebt ist. Wir schlenderten dort durch die kleinen Gassen der Altstadt, betrachteten die vielen nächtlich beleuchteten Boote am Fluss und gingen eine kleine Sightseeing-Runde. Am Abend gingen wir müde Richtung Unterkunft, als uns eine kleine Schneiderei am Straßenrand ins Auge sprang. Wir sahen einen schönen dunkelroten Anzug, ein Ausstellungsstück an einer Kleiderpuppe. Wir scherzten noch darüber, dass Domi dieser Anzug vermutlich nicht passen würde. Wir plauderten mit der charismatischen Schneiderin und wenige Sekunden später steckte Dominik schon in dem roten Ausstellungsanzug – welcher wie angegossen passte. Er konnte dem Angebot nicht widerstehen, also nahmen wir ihn kurzerhand dann doch mit (hätte sich Berni noch ein Ballkleid gekauft, wären wir vermutlich im Ranking zum „schicksten Pärchen auf Rädern“ ganz vorne dabei gewesen 🙂 )
Am nächsten Morgen wollten wir weiterfahren, doch dann machte unsere Gopro Kamera schlapp. Glücklicherweise gab es in Hoi An einen sehr kompetenten Laden für die Reparatur von technischen Geräten. Da wir die Kamera erst am Folgetag abholen können würden, mussten wir noch eine Nacht bleiben. Dieser Zwischenfall kam Berni jedoch sehr zugute, da sie beim Frühstück irgendetwas erwischt hatte, was ihrem Magen nicht wirklich zu bekommen schien… Am nächsten Tag holten wir die wieder funktionstüchtige Kamera ab und fuhren weiter. Leider schafften wir es nur in das wenige Kilometer entfernte Da Nang, da Bernis Magen noch immer krampfte und eine Toilette in ständiger Reichweite in diesem Fall Gold wert war. Somit wurde eine eintägigen Pause zu einer dreitägigen Pause. Dies wiederum bedeutete für uns ein Tagessoll von mindestens 110 km, um es rechtzeitig in den Norden von Vietnam zu schaffen. Bevor wir nach Hanoi fahren wollten, hatten wir noch 4 Tage zum Klettern auf der Insel Cat Ba geplant. Dies war auch der Grund warum wir doch etwas in Zeitstress gerieten. Daher traten wir besonders fest in die Pedale und strampelten den Berg kurz nach der Stadt Da Nang hoch. An der Spitze des Berges angekommen tummelten sich etliche Touristen. Hier verlief früher die Grenze zwischen Nord- und Südvietnam. Außerdem verläuft hier eine sehr eindrückliche Wetterscheide – Richtung Süden hatten wir einen sonnigen Ausblick auf das Meer, Richtung Norden erblickten wir eine graue Wolkenfront. In einem kleinen Kaffeehüttchen lernten wir zwei Radreisende aus Holland kennen, ein Paar, welches 6 Monate im Jahr auf selbstständiger Basis arbeitet und die anderen 6 Monate des Jahres auf ihren Reiserädern weltweit unterwegs ist. Wir hatten gleich viele Gesprächsthemen, tranken nebenbei Kaffee und genossen die Pause nach dem Aufstieg.
Auf unserem Weg vom Süden in den Norden des Landes lernten wir noch etliche andere RadfahrerInnen aus Frankreich, Australien, Indien und Deutschland kennen.
Als RadfahrerIn muss man aber auf diesen vielbefahrenen Strecken gut aufpassen – Domi half am Weg einen verunglückten Wagen aus dem Straßengraben… Nicht nur vor Autos muss man auf der Hut sein, auch unter uns Radfahrern kann es mal krachen. So wurde Bernis Vordertasche von Domis Fahrradständer aufgespießt – doch mit Kleber und einem Stück Zeltplane wurde alles wieder (hoffentlich!) wasserdicht verschlossen.
Unsere Reise in die nördliche Hälfte des Landes war für uns vor allem kulinarisch ein Highlight: Wir radelten früh morgens los und machten den ersten Einkehrschwung bei einer Bäckerei. Wir holten süße Leckereien und fuhren weiter in ein Kaffee. Für Berni gab es dann einen Kaffee und für Domi Kakao (trotz Zeitmangel war dies unser fixer Bestandteil im Tagesablauf) 😉 Unser Zelt stellten wir abends meist in mitten der Reisfelder auf, wo es manchmal kleine Oasen an Wiesenflächen gab. Auf diesen Wiesenflächen waren häufig Grabsteine zu finden, aber da diese Wiesen meist die einzigen freien Flächen in dem recht dichtbesiedelten Land waren, blieb uns zum Zelten oft keine andere Wahl. Am Abend kamen meist Einheimische vorbei, welche am Reisfeld gearbeitet hatten und uns beim Kochen und Zeltaufbau gesehen hatten. Sie waren immer recht interessiert und freundlich. Wir hatten also durch die Bank immer gute Erfahrungen gemacht und wurden nie von unserem Zeltplatz vertrieben, obwohl Wildcampen in Vietnam eigentlich verboten ist.
Nach etlichen intensiven Tagen am Sattel fuhren wir dann endlich mit der Fähre auf die Insel Cat Ba. Dort angekommen ging es über etliche Hügel in die Innenstadt dieser kleinen Insel. Leider war uns der Wettergott nicht besonders gnädig gestimmt. Wir waren auf vier Tage klettern eingestimmt – doch der Regen lud dann eher zum Kaffee- und Kakaotrinken ein. Trotz der misslichen Wetterlage konnten wir aber dennoch zwei Tage klettern gehen, da einige vorwiegend überhängende Routen trocken waren.
Nach unserem Inselausflug ging es dann in die Hauptstadt Hanoi. Wir hatten bereits von Kamboscha aus einige Ersatzteile für unsere Fahrräder in dort ansässige Fahrradläden bestellt. In den letzten Tagen vor der Ankunft in Hanoi machten dann noch weitere Teile unseres Equipments schlapp: Bernis Felgen waren aufgeplatzt, das Bremsseil fast gerissen und der Pufferakku unseres Narbendynamos war auch hinüber. Wir freuten uns daher sehr auf eine Generalsanierung für unsere Fahrräder. Das Team von „Lam Velo“ hat innerhalb von 3 Tagen dann alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unsere Räder wieder in Schuss zu bringen – und das mit Erfolg 😉
Wir konnten in den vier Nächten in Hanoi bei einem Gastgeber von Warmshowers unterkommen. Unser Gastgeber Quynh ist gebürtiger Vietnamese, wuchs aber in Frankreich auf und spricht fließend Französisch. Mittlerweile arbeitet er wieder in Vietnam und fährt jedes Jahr für 1-2 Monate nach Frankreich zum Radfahren. Wir fühlten uns bei ihm also gut aufgehoben und genossen es sehr, mit ihm über seine Reisen und das Leben in Vietnam zu sprechen.
Ausgeruht und mit vollem Tatendrang ging es auf unseren generalsanierten Fahrrädern weiter zur chinesischen Grenze. Zwischendurch wurden wir sogar von einer Herde Entenkinder begleitet (Sie folgten uns auf Schritt und Tritt. Wir vermuten, dass sie uns aufgrund der gelben Taschen für ihre Mütter gehalten haben 😉 ). Es ging weiter über hügeliges Gelände, vorbei an vielen Holzverarbeitungsfabriken und Restaurants.Wir konnten bei manchen Streetfood-Ständen unseren Augen kaum trauen – da gab es neben Hühnchen am Spieß auch Hündchen am Spieß… Naja, Geschmäcker sind eben verschieden. Da waren die vielen Ananas-Straßenstände eher nach unserem Geschmack – und glechzeitig hatten wir Mikrophone für unser Vietnam-Morgenjournal 🙂
Vietnam war rückwirkend betrachtet ein Land des Abschiednehmens – wir nahmen Abschied von vielen Dingen, die uns in den letzten Monaten sehr vertraut wurden. Es gab so gut wie keine buddhistischen Tempel mehr, wir sahen keine buddhistischen Mönche mehr bei ihren Morgenrunden durch die Dörfer und auch das Klima war nun kühler und regnerischer. Dominik hat im Vorbeigehen seine Haare verloren – sehet selbst 😉 Ebenso verlor Domi Luft aus seinem Hinterreifen – er kassierte den dritten „Patschen“ auf unserer Reise. Darüberhinaus haben wir in Vietnam auch etliche Kilos verloren. Dank unserer „Radikaldiät“ wurden wir um ganze 21,5kg leichter – wir haben also so richtig abgespeckt. In Hoi An haben wir ein Paket mit allerhand überflüssigen Dingen nachhause geschickt (Domis neuer Anzug, diverse Ersatzteile usw.). Wir haben auch die Vaseline nachhause geschickt, die uns unser Freund Lechner Christoph bei unserer Abschiedsfeier in weiser Voraussicht geschenkt hatte. Wir waren nun sechs Monate ohne wunde Pos unterwegs gewesen – die Vaseline schien uns also überflüssig. Dachten wir… Wenige Tage nachdem wir das Paket abgeschickt hatten bekamen wir plötzlich Druckstellen von unseren Sätteln – na toll! Doch dank Bernis Hebammentricks waren die Schmerzen bald wie weggeblasen: Pflege des Hinterns mit Öl, viel frische Luft dazu und Windelsorte … äh, Radelhose wechseln. Schon war alles wieder im grünen Bereich! 😉
In Hanoi schickten wir dann noch unser Kletterequipment nachhause. Richtung China würde es stark bergauf gehen, daher wollten wir den zusätzlichen Balast noch loswerden. Dies war auch ein Abschied mit schweren Herzens, denn in China würde es tolle Klettergebiete geben. Doch unsere Zeit in China wird sehr begrenzt sein, denn das Land ist riesengroß und unser Visum ist nur für einen Monat gültig. Aber mehr dazu lest ihr dann im nächsten Eintrag! 😉
Spitzenfoto, mit den vietnamesischen Hüten! Fein, dass es Euch offensichtlich so gut geht! Geniesst weiterhin die Reise, passts auf, seids vuasichtig und lossts eich nix gfoin!
Liebe Grüße aus der frühlingshaften Heimat
Wolli
LikeLike